Allrad Training
Die Fahrt in richtiges Gelände mit einem echten Allradfahrzeug kann ein aufregend-spaßiges Unterfangen sein, wenn man sich denn mit dem Allradfahren auskennt. Ansonsten kann das Verlassern der befestigten Wege vor allem aufregend-frustrierend sein.
Diese Anleitung richtet sich an Allrad-Anfänger und stellt eine kurze Zusammenfassung einiger grundlegenden Erklärungen und der wichtigsten Regeln dar, die beim Fahren im Gelände zu beachten sind.
In den meisten Teilen Namibias, Botswanas und Südafrikas werden Sie kaum ein 4x4 Fahrzeug brauchen. Sollten Sie unsicher sein, gibt es hier einen Fahrzeug-Entscheidungsbaum, der Ihnen die Entscheidung ob Sie ein Allradfahrzeug benötigen oder nicht erleichtert. Zum Entscheidungsbaum.
Einige generelle Regeln
Regel 1: Nehmen Sie sich Zeit ihr Fahrzeug kennenzulernen
Klingt trivial, ist aber wichtig: Lernen Sie ihr Fahrzeug kennen. Das beginnt meist mit der Übernahme des 4x4 beim Vermieter. Lassen Sie sich vom Autovermieter alles in aller Ruhe zeigen und scheuen Sie sich nicht, nachzuhaken, wenn etwas unklar ist.
Lassen Sie sich erklären, welche Geländegänge es gibt und wie sie einzulegen sind. Die meisten der gebräuchlichen Allradwagen haben folgende Gänge: H2, H4 und L4.
- H2 ist dabei der normale Gang.
- In H4 (High 4) ist die Vorderachse zugeschaltet. Dazu müssen die Freilaufnaben an der Vorderachse auf „lock“ stehen, es sei denn, das Fahrzeug hat automatische Freilaufnaben.
- In L4 (Low 4) wird das Getriebe untersetzt. Man fährt mit doppelter Kraft und halber Geschwindigkeit bei gleicher Drehzahl. L4 wird nur im extremen Gelände und bei Wasserdurchfahrten eingelegt.
Regel 2: Freilaufnabe auf Schotterstraßen sperren
Es schadet nichts, die Freilaufnaben grundsätzlich zu sperren (Gang im H2 belassen). Sobald Sie die Teerstraße verlassen und auf die Schotterstraßen abbiegen, können Sie ohne auszusteigen auf H4 schalten. Das empfehlen wir und hat verschiedene Vorteile und kaum einen Nachteil:
- Auch wenn die Schotterpiste in sehr gutem Zustand ist, gibt es so eine bessere Bodenhaftung da alle 4 Reifen greifen.
- Der höhere Kraftstoffverbrauch ist vernachlässigbar. Etwa 0,5 Liter auf 100km.
- Sie können auch jederzeit ohne Auszusteigen auf L4 schalten
Regel 3: Testen Sie den Geländewagen in einfachem Gelände
Bevor Sie mit ihrem 4x4 ins richtige Gelände fahren, testen Sie das Fahrverhalten ihres Mietwagens ruhig auf befestigter Straße. Sperren Sie die Nabe an der Vorderachse und üben Sie eigenständig in H4 und L4 zu schalten. Bei den meisten Fahrzeugen im Stand oder nur ganz geringer Geschwindigkeit, maximal 8 km/h. Lernen Sie das Fahrverhalten des Geländewagens in den verschiedenen Geländegängen kennen.
Hier gibt es folgende Höchstgeschwindigkeiten zu beachten:
- Im H4: Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h nicht überschreiten.
- Im L4: Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h nicht überschreiten.
Regel 4: Legen Sie den Allrad ein, bevor sie in schwieriges Gelände fahren.
Einer der häufigsten Fehler, der beim Allradfahren gemacht wird, ist es, den Allrad erst dann zu benutzen, wenn es schon (fast) zu spät ist, das heisst zum Beispiel, wenn man sich schon festgefahren hat. Machen Sie diesen Fehler nicht. Sollten Sie unsicher sein, so legen Sie den Allradgang ein, es schadet dem Fahrzeug nichts.
Regel 5: Lenkrad locker halten
Sind Sie in schwierigem und felsigem Gelände, denken Sie bitte daran: Verkrampfen Sie sich nicht am Lenkrad. Das Lenkrad sollte sicher aber stets locker gehalten werden, Daumen außen.
Verhalten in Beispielsituationen
1. Sand
Sand ist nicht gleich Sand, das wussten schon die alten Buschleute, die für Sand zahlreiche verschiedene Worte haben. Auch das Fahrverhalten des Geländewagens auf Sand kann sehr unterschiedlich sein. Das richtet sich vor allem nach der Temperatur, der Durchfeuchtung und der damit verbundenen allgemeinen Beschaffenheit des Sandes. Als Faustregel gilt: Je heißer der Sand, desto schwieriger ist er zu befahren, das Auto sinkt in aufgehitzten Sand viel stärker ein. Wissen Sie also, dass sie eine längere Sandstrecke zu fahren haben, ist es von Vorteil dies am Morgen zu tun, da der Sand durch die Morgenfeuchtigkeit tragfähiger ist.
Wenn Sie unerfahren im Sandfahren sind, so geht man mit „Luftablassen“ auf Nummer sicher. Bei lockerem Sand kann man die Reifen auf bis zu 0,8 Bar Reifendruck ablassen. Der optimale Wert für die komplette Zeit im Sand beträgt 1,25 bar und kann auch kurzzeitig auf der Straße gefahren werden.
Dies vergrößert die Auflagefläche des Reifens auf dem Sand und erzielt eine bemerkenswerte Wirkung: Das Auto sinkt nicht mehr so stark in den sandigen Untergrund ein, sondern liegt auch bei sehr feinem Sand oben auf.
- Bleiben Sie stets in den bereits ausgefahrenen Spuren, falls vorhanden. Erstens ist der Sand dort bereits verdichtet und zweitens beschädigen sie dadurch nicht den Untergrund. Das gilt vor allem für das Fahren in Parks. In einigen Gebieten kann man Spuren noch Jahrzehnte nach dem Befahren ausmachen.
- Sollte es sich nicht um extremen Dicksand oder schlammigen Untergrund handel, dürfte der erste H4 Gang ausreichen. Ist der Sand sehr tief fahren sie im zweiten oder dritten Gang des L4.
- Versuchen sie Schalten im Sand zu vermeiden. Jeder Schaltvorgang wirkt wie eine Bremsung. Möchten Sie anhalten, wählen sie eine verdichtete Stelle, von wo aus das Anfahren leichter ist.
- Haben Sie sich festgefahren, so versuchen Sie sich nicht nach vorne und auf gar keinen Fall zur Seite hin herauszuwühlen, sondern fahren Sie langsam ein Stück zurück in ihrer eigenen Spur und versuchen Sie danach mit höherer Geschwindigkeit über die Problemzone herauszufahren.
2. Dünenfahren
Dünenfahren sollten weder Anfänger noch Fortgeschrittene ohne die Hilfe von Profis versuchen. Erstens birgt es recht viele Gefahren für Mensch und Auto (Das Befahren der Dünen ist definitiv nicht vom Vermieter zugelassen und somit auch nicht versichert) und zweitens ist es auch aus Gründen des Naturschutzes ein heikles Thema. Wer Dünenfahren gern ausprobieren möchten, der sollte einen Kurs in den verschiedenen Konzessionen in Namibia mitmachen.
Sollte es sich aus welchen Gründen auch immer nicht vermeiden lassen, eine Düne zu befahren, so ist zu beachten, dass man immer so geradlinig wie möglich an der flachen Seite hinauf und an der steilen Seite hinunter fahren sollte. Niemals sollte man auf die Idee kommen, auszuprobieren, eine Düne schräg zu befahren. Immer in Falllinie fahren!
3. Die Durchquerung eines wasserführenden Flussbettes / einer Furt.
Die Durchquerung eines Flussbettes kann besonders in der Regenzeit eine heikle Angelegenheit sein. Die Autovermieter verweisen in den Verträgen ausdrücklich darauf hin, dass man nicht in Flüssen fahren darf, eigentlich eine logische Klausel, wer fährt schon gern durch einen fließenden Fluss. Nach einem heftigen Regenschauer, vor allem im Süden und Nordwesten Namibias kann es aber schonmal passieren, dass man auf seiner vorgebuchten Reise plötzlich vor einem „abkommenden Revier“, also einem sonst trockenen Flussbett steht, welches just in diesem Moment unpassierbar scheint. Natürlich möchte man am Abend seine Unterkunft erreichen und muss deshalb irgendwie auf die andere Seite kommen.
Hier empfiehlt es sich als Anfänger ersteinmal abzuwarten und darauf zu hoffen, dass erfahrene Fahrer vor dem gleichen Problem stehen, die Situation aber besser einschätzen können. Ist man allein, dann geht man wie folgt vor:
- Aussteigen und die Fahrspur des rechten und linken Reifenpaars abgehen. So misst man einerseits die Wassertiefe und kann feststellen, ob im Flussbett Hindernisse, Schlickstellen oder Schlaglöcher die Durchfahrt behindern können.
- Zur Wassertiefe: Eine Faustregel besagt, kniehohes Wasser ohne starke Strömung sollte mit den meisten Allradwagen problemslos zu befahren sein. Bei tieferen Durchfahrten muss vermieden werden, dass Wasser in die Zündanlage und in den Luftfilter eindringt. Ist die Strömung auch bei flachen Revieren sehr stark, besteht die Gefahr, dass das Fahrzeug weggespült werden kann. Es sollte dann stets abgewartet werden, bis sich an der Gesamtsituation etwas ändert. Muss unbedingt ein Fluss mit stärkerer Strömung überquert werden, so sollte man in die Strömung in einem steilen Winkel einfahren, da dadurch die Angriffsfläche des Wassers vermindert wird.
- Ist man sich sicher, dass der Fluss zu bewältigen ist, schaltet man in den L4, legt den zweiten Gang ein und fährt langsam aber konstant in den Fluss. Schnelles Fahren muss unbedingt vermieden werden, da dadurch eine Bugwelle vor dem Fahrzeug entsteht und Wasser angesaugt werden kann.
4. Steilhänge
Beim Herunterfahren eines steilen Hanges gibt es folgendes zu beachten
- In den kleinsten möglichen Gang schalten, Differentialsperre falls vorhanden einlegen.
- Fuss von der Bremse und Kupplung kommen lassen, gleichzeitg Handbremse lösen.
- Die Bremskraft des Motors im niedirgen Gang nutzen. So werden alle 4 Räder simultan abgebremst und es wird verhindert dass eines der Räder blockiert.
- Sollte der Wagen ins Rutschen geraten eher etwas Gas geben, aber nicht die Bremse betätigen, da die Rutschwirkung so verschlimmert werden würde.
- Die goldene Regel: Auf keinen Fall und nie die Kupplung treten, da die Bremskarft des Motors so außer Wirkung gesetzt würde und man so leicht die Kontrolle des Wagens verlieren könnte. Eher den Motor abwürgen, als die Kupplung treten.
- Hat man den Abhang bewältigt nicht vergessen, die Differentialsperre wieder auszulegen.
Beim Herauffahren eines Steilhanges
- Hier benötigt man logischerweise mehr Kraft und Geschwindigkeit als beim Herunterfahren.
- Je nach Steigung des Hanges in den 2 oder 3. Gang des L4 schalten und vorher Differentialsperre falls vorhanden einlegen.
- Ist der Hang eben aber rutschig, dann beschleunigen Sie etwas mehr, so das sie die Kuppe gut erreichen und nicht in Gefahr kommen rückwärts zu rutschen.
- Ist der Hang steinig aber trocken so fahren sie langsamer und bedächtig schrittweise den Hang hinauf.
- Ist der Hang sehr steil, rutschig und mit vielen Hindernissen versehen, dann viel Glück!
- Wie beim Herunterfahren, sollten Sie auf das Wechseln des Gangs während der Fahrt unbedingt verzichten und immer die Ruhe bewahren.
- Sollten Sie beim Hochfahren den Motor abwürgen, dann sofort die Handbremse ziehen, den Wagen neu starten und eventuell langsam zurückrollen lassen um den Anstieg neu in einem kleineren Gang oder mit höherer Geschwindigkeit zu versuchen.
Zum Ende noch einige Merksätze
- Wenn alle 4 Räder in der Luft sind, sollte man vom Gas runter gehen.
- Sieht man durchs Seitenfenster auf Augenhöhe Hippos und Krokodile, hat man sich wahrscheinlich im Moremi festgefahren.
Youtube Video Fahrfehler
Anhand diseser Selektion von Fahrfehlern, können Sie lernen, was man auf GAR KEINEN FALL machen sollte, schon gar nicht als 4x4-Anfänger.
Wasserdurchfahrt: Überschätzung der eigenen Fähigkeiten im zu tiefen Fluss
Wasserdurchfahrt: Fahrspur nicht abgelaufen aus Angst vor Krokodilen
Kamera-Tipps
Und schließlich hier noch ein Beispiel, wie man ohne unnötiges Risiko und nur mit einem geeigneten Kamerawinkel für die Daheimgebliebenen unglaubliche Videobeweise der Geländewagensafari bringen kann.
Literatur - Gute Allradfahrzeugratgeber
- White,Andrew St. Pierre: The complete guide to a Four Wheel Drive, Willowtown 5.Auflage 2007. ISBN 0-9584701-4-6 Speziell auf Verhältnisse im südlichen Afrika abgestimmt. Preis 220 Rand
- Joubert,J.: 4 x 4 A Practical Guide to Off Road Adventures in Southern Africa, CapeTown 1999, ISBN 1-86872-173-6 Preis 130 Rand
- Buzek,G.: Perfekt Off Road fahren. Motorbuch Verlag 1994 ISBN 3-613-01584-6 Ein Klassiker auf Deutsch mit vielen guten und richtigen Skizzen.
- Für die namibischen Outbacks: Jan Joubert´s Personal Guide to 4x4 Routes in Damaraland, Kaokoland, Buschmanland, the Kaudom Maps and GPS Coordinates
- Und hier gibt es Werkstatthandbücher für Landrover sowie eine Anleitung für eine online Fehlersuche